Gudruns 5. Brief vom 18.06.2020

Meine lieben Lerchen!

„Singen ist eine feine, edle Kunst und Übung. Es hat nichts zu tun mit der Welt, es ist nicht vorhanden auf dem Marktplatz der Streitigkeiten.
ES SORGT SICH, WER SINGT, NICHT VIEL, er vertreibt alle Sorgen und ist guter Dinge.“

Ja, meine Lieben, der gute Luther wusste nichts von Corona! Es gab zwar Seuchen und Pestilenz, aber keine behördlichen Ansagen, wie mit dem
Singen zu verfahren sei. 500 Jahre später kriegen wir das alles fein geregelt. Ihr lest und hört, was beschlossen wird, aber das Chorsingen
wird  nicht groß erwähnt. Allerdings macht der Brandenburgische Chorverband da mal Nägel mit Köpfen:

Ein Hygienekonzept muss erstellt und von allen Sängerinnen unterschrieben werden mit Angabe des Sitzplatzes,     Nasen-Mund-Schutz
muss getragen und bei Durchfeuchtung gewechselt werden,  der Abstand voneinander soll seitlich 3 m und in „Atemstoßrichtung“ 6 (!) m betragen –
und Risikogruppen, also alle über 50 und / oder mit Vorerkrankungen (Diabetes, Atemwege, Herz, Nieren, Leber  usw.)
sollen  ganz und gar zu Hause bleiben.

Es gibt noch mehr Hinweise, z.B. eigene Tasse mitbringen, wobei Essen und Trinken sowieso verboten ist, Noten und Schreibe nicht ausleihen
oder weggeben und noch mehr so´n Zeuges, natürlich Hände waschen und ja niemanden anfassen usw.

Ihr seht, die „Lockerungen“ kommen eher Verboten gleich! Aber versammeln darf man sich! Im Freien! Und was machen Lerchen? Sie gehen in (an) die
Luft und jubilieren!! Ja, ihr meine treuen Sängerinnen, ich hab euch doch gesagt „Freut euch!“ Und wir werden, so wie ich angekündigt hatte,
uns am 3. Juli zur gewohnten Zeit treffen, aber nicht an der Orgel, sondern auf der Wiese – in gebührendem Abstand! Und natürlich kommen nur
die Sängerinnen, die schon und sowieso immun sind, das müsst ihr leider selbst entscheiden! Jede holt sich einen Stuhl oder lässt sich einen
holen und dann machen wir eine Versammlung unter freiem Himmel. Damit es nicht allzu langweilig wird, wenn ich euch etwas erzähle, dürft ihr
folgende Lieder mitbringen:

Geh aus, mein Herz,…………… Möge die Straße uns zusammenführen,…………… Danke,……….  Ich singe dir mit Herz und  Mund. ………..
Singet dem Herrn ein neues Lied (Cantate)…

Dazu kommt dann allerdings noch die Liturgie, die steht im evangelischen Gesangbuch unter Nr. 177.2 (Ehr sei dem Vater …), 178.2 (Kyrie…) und
179 (Allein Gott in der Höh…), wobei ich nicht weiß, ob der Pastor Nitz die einbaut, weil er ja freikirchlich ist. Aber bis zum 3. 7. werde
ich das sicher erfahren! Und 6 Damen dürfen dann mit mir an die Orgel gehen… Die anderen Lerchen müssen nicht traurig sein: Am 26. Juli
brauche ich nochmal 6 von euch! Da kommt die Liturgie aber mit ziemlicher Sicherheit vor, da predigt Superintendent Furian (den kenne
ich auch nicht!). Und vorher machen wir wieder eine Versammlung unter freiem Himmel!

Ja, ihr meine lieben Lerchen, so sieht es aus! Richtig tröstlich ist es nicht, aber doch ein Hoffnungsschimmer. Ich wollte, ich könnte euch mehr
Freude bereiten. Aber ich denke doch, dass wir uns trotz aller Beschränkungen innerlich verbunden fühlen, über die verschiedenen Medien
in Kontakt bleiben und uns austauschen. Besuche und Angerscheune und spontane Treffen halten uns aufrecht! Und immer schön atmen und summen
und am offenen Fenster oder im Garten hinter den Büschen die Stimmbänder in Schwingungen versetzen! Seufzen und schöne Vokale formen auf einen
Ton: Mo-a-mo-a-mo, dann das Ganze einen Ton höher usw., und dann mal ´ne Tonleiter rauf und runter auf su-su-su und dann ein fröhliches Lied –
geht doch!
Ich freue mich auf das Wiedersehen, Wiederhören, Wiedersingen!

Eure Gudrun